VW Skandal – aktuelles Urteil: Abschalteinrichtung illegal, Betriebserlaubnis erloschen (Landgericht München II)

VW Abgasskandal
VW Skandal – Das Landgericht München II hat in seinem Urteil vom 15.11.2016, 12 O 1482/16 einen Händler zur Rücknahme eines manipulierten VW Golf verurteilt. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Betriebserlaubnis von Gesetzes wegen erloschen sei und dass der Vortrag von VW, es würde keine illegale Abschalteinrichtung verwendet werden, offensichtlich falsch sei. Es liegt eine illegale Abschalteinrichtung vor, urteilt das Gericht.

Entgegen VW: es liegt eine illegale Abschalteinrichtung vor

Mit dieser Entscheidung ist ein weiteres Urteil zu Gunsten eines VW-Geschädigten ergangen. In der letzten Zeit häufen sich die Urteile gegen die Händler. Bahnbrechend sind die Ausführungen des Landgerichts München II. So gab es in der letzten Zeit einen Aufschrei darüber, dass VW in den Verfahren behauptet, in Europa keine illegale Abschalteinrichtung verwendet zu haben. Dafür findet das Landgericht München II deutliche Worte:

„Soweit die Beklagte zu 2) [Anmerkung des Autors: die Beklagte zu 2) ist die Volkswagen AG] der Auffassung ist, dass es sich bei der verbauten Software um keine „Abschalteinrichtung“ i.S.v. Art. 3 Nr. 10 va (EG) Nr. 715/2007 handelt (SS 01.08.2016, S. 7, Ziff. 2.) ist dies offensichtlich unzutreffend. Nach der genannten Vorschrift liegt eine Abschalteinrichtung u.a. dann vor, wenn es sich um ein Konstruktionsteil handelt, das sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb zu erwarten sind, verringert wird: bei der verbauten Software handelt es sich um ein derartiges Konstruktionsteil. Denn diese Software ermittelt Parameter zum Erkennen des Straßenbetriebs und schaltet hierfür die AGR teilweise so ab, dass weniger Abgase wieder in den Ansaugbereich des Motors gelangen. Hierdurch wird die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert. Diese tatsächlichen Umstände haben beide Beklagten ausdrücklich eingeräumt.“ Nachbesserung unzumutbar, keine Fristsetzung notwendig

Das Landgericht München II ist auch der Ansicht, dass die Nachbesserung unzumutbar ist. Eine Frist zur Nachbesserung musste daher nicht gesetzt werden.

„Schon der Zeitraum von mehreren Monaten bis zur denkbaren Durchführung einer Nachbesserung und die Unwägbarkeiten die mit dieser Nachbesserung selbst nach dem Vortrag der Beklagten zu 2) verbunden sein können, müssen von einem Käufer nicht hingenommen werden. Die Unwägbarkeiten der Nachbesserung ergeben sich auch aus dem Vortrag der Beklagten zu 2). Denn diese musste -an passant- einräumen, dass noch Testungen der von ihr neu geschaffenen Software erforderlich sind. Dies bedeutet auch, dass die Auswirkungen auf den Alltagsgebrauch mit einer neuen, der Euronorm 5 entsprechenden Software noch nicht absehbar sind. Dass das Eingehen dieses Risikos für die Klägerin ganz offensichtlich unzumutbar ist, liegt auf der Hand. Denn die Beklagte zu 2) konnte auch die unausgesprochene Frage, weswegen in der Vergangenheit nicht schon eine Software entwickelt worden ist, die dazu führt, dass der Pkw den Voraussetzungen der Euronorm 5 entspricht, nicht beantworten. Denn wenn sich das Einhalten der Norm lediglich auf ein Softwareproblem reduzieren ließe, so ist nicht nachvollziehbar, weswegen die Beklagte zu 2) dieses – lapidare – Problem nicht schon in der Vergangenheit bewältigen konnte. Deswegen darf die Klägerin auch berechtigt Sorge tragen, dass das Softwareupdate an mehreren Punkten den Fahrzeuggebrauch im Sinne von Einschränkungen, Erschwernissen oder Wertbeeinträchtigungen zu ihren Lasten verändern wird. Eine Gewissheit im Sinne einer naturwissenschaftlichen Erkenntnis hierüber ist zum jetzigen Zeitpunkt für die Beantwortung der Rechtsfrage nicht erforderlich. Abgesehen davon ist es Aufgabe der Beklagten Sicherheit über den künftigen Erfolg der Nachbesserung zu schaffen. Hierfür gibt der Vortrag beider Beklagten nichts her.“

Betriebserlaubnis erloschen

Das Landgericht München II äußert außerdem die Ansicht, dass die Betriebserlaubnis des VW Golf von Gesetzes wegen erloschen ist. Es führt aus:

„Zu berücksichtigen ist auch, dass die Betriebserlaubnis für den PKW kraft Gesetzes gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO erloschen ist. Dass die Behörden an diesen Umstand momentan für Hunderttausende Kraftfahrzeugführer keine Folgen knüpfen, ist für sich genommen für § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO unerheblich, da die Rechtsfolge kraft Gesetzes eintritt -unabhängig von behördlichen Maßnahmen.“

Damit widerspricht das Gericht der Ansicht von VW, dass das Fahrzeug über alle erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen verfüge.

Diese Begründung ist bahnbrechend. Soweit ersichtlich, hat bisher kein Gericht mit einer derartigen Begründung gegen einen Händler entschieden.

Das Urteil wurde von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH erstritten. Es handelt sich dabei um die führende Kanzlei im VW Abgasskandal. Die Kanzlei berät und vertritt bundesweit ca. 30.000 Geschädigte im VW Abgasskandal. Von der Kanzlei wurden bereits mehr als 700 Klagen gegen Händler sowie gegen die Volkswagen AG bei zahlreichen Gerichten bundesweit eingereicht.

Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll teilt zu dem Verfahren vor dem Landgericht München II mit: „Mittlerweile nehmen die Entscheidungen gegen Händler im VW Abgasskandal immer weiter zu. Bahnbrechend an dem Urteil des Landgerichts München II ist, dass es die Begründungen unserer Kanzlei aufnimmt und sich den Rechtsansichten anschließt. Nachdem VW behauptet, es würde in Europa keine illegale Abschalteinrichtung geben, gab es einen großen Aufschrei. Dieser Behauptung hat das Landgericht München II nunmehr eine deutliche Absage erteilt. Die Zeichen stehen immer mehr darauf, dass die Geschädigten zu ihrem Recht kommen.“

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Text: Rechtsanwalt Ralph Sauer – Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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